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Der Verband

über 50 Jahre organisierter Behindertensport in Österreich

Gleich nach dem 2. Weltkrieg haben vor allem Skisportler trotz im Krieg erlittener Behinderungen wieder begonnen, Sport zu treiben. Bald wurden Vereine - sogenannte Versehrtensportvereine - gegründet, in denen im Sommer auch Leichtathletik, Schwimmen und diverse Ballspielarten angeboten wurden. Die Zahl Kriegsversehrter war groß, die Vereine hatten entsprechenden Zulauf

Die treibenden Kräfte in dieser Phase waren Amputierte und Blinde. Andere Behinderten- bzw. wie es damals generell hieß Versehrtengruppen sollten erst später dazustoßen. Während die Vereine in den Bundesländern rasch wuchsen, dauerte es auf Bundesebene fast 10 Jahre, bis sich diese Vereine dem im Juni 1958 in Wien gegründeten Österreichischen Versehrtensportverband (ÖVSV) anschlossen.

Die Proponenten des Verbandes legten größten Wert darauf, dass als Präsident ein hochrangiger Politiker gewonnen werden konnte. Der damalige Präsident des Österreichischen Nationalrates, Dr. Alfons Gorbach, selber kriegsversehrt, stellte sich für diese Funktion zur Verfügung. Diese Tradition, hochrangige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens für Funktionen im Verband zu gewinnen, hält bis heute an.

Bald nach der Gründung des ÖVSV stieß der damals auch noch junge Verband der Querschnittgelähmten Osterreichs (VQÖ) dazu. Damit konnten zumindest die sportlichen Aktivitäten von Amputierten, Blinden und Querschnittgelähmten gemeinsam gefördert und koordiniert werden.

Von Anfang an kümmerte sich der ÖVSV nicht nur um die materielle Basis des Sports für behinderte Menschen. Durch die Einrichtung eines Sportausschusses wurde schon früh die sportliche Aus- und Weiterbildung sowohl der Aktiven als auch der Übungsleiter (Lehrwarte) vom Verband wahrgenommen.

Eine entscheidende Rolle spielte dabei die Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Leibeserziehung (BAfL) Wien. Bereits 1951 fand die erste Versehrtensportwoche für Teilnehmer aus ganz Österreich in Wien statt. In der Folge wurde die Österreichische Versehrtensportwoche (nunmehr: Behindertensportwoche) ins Bundessport und Freizeitzentrum Schloß Schielleiten in der Steiermark verlegt und findet seither dort jedes Jahr ohne Unterbrechung statt.

Den Initiatoren, Min. Rat. Dr. Viktor Kollars (BM f. UKS), Prof. Karl Deschka (BAfL Wien), Prof. DDDDr. Ludwig Prokop (Univ. Wien) gilt für ihr Konzept und die jahrzehntelange Begleitung größter Dank. Durch personelle Veflechtungen zwischen ÖVSV und den Einrichtungen des Sports gelang es, zusätzliche Synergieeffekte zu erzielen.

Obwohl der ÖVSV in erster Linie zur Wahrung gemeinsamer Interessen im Inland gegründet wurde, übernahm er bald auch eine Mittlerfunktion zu ausländischen Verbänden, unterstützte internationale Begegnungen und war aktiv am Aufbau internationaler Behindertensportorganisationen beteiligt. Daneben erfolgte inneres Wachstum. Zu den Kriegsversehrten stießen in der Folge Opfer von Arbeits- und anderen Unfällen sowie durch Krankheit Behinderte (z.B. Kinderlähmung). Damit waren vorerst die traditionellen Behindertengruppen erfaßt und es sollte relativ lange dauern bis weitere Gruppen aufgenommen wurden.

Wie schon erwähnt, sollte der Zusammenschluss der Versehrtensportvereine zu einem Verband auch die materielle Basis verbessern. Große Förderungen durch die Republik oder gar private Gönner gab es in der Gründerzeit des Verbandes nicht. Anders als in Deutschland, ist es in Österreich nicht gelungen, mit der Sozialversicherung Verträge zu schließen. Die Zusammenarbeit mit der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt war immer informell und sollte erst später eine wichtige Rolle spielen. Der Großteil der sportlichen Aktivitäten wurde daher von den Betroffenen selber finanziert. Lediglich für die Teilnahme an internationalen Bewerben konnte auf wundersame Weise immer wieder Geld aufgebracht werden. Die Aktiven lohnten es mit hervorragenden Plazierungen.

Als in den 70er Jahren der Begriff der Rehabilitation für alle in Österreich seinen Niederschlag fand, kam auch in den ÖVSV wieder Bewegung. Neue Gruppen, die bisher nicht im Versehrtensport erfaßt waren, klopften an. Die große Gruppe der Geburtsbehinderten, darunter viele Cerebralparetiker, wollten auch am organisierten Sportbetrieb teilnehmen.

Natürlich dauerte es einige Zeit, bis diese Gruppe aufgenommen wurde. Die internationalen Beispiele beschleunigten diesen Prozeß. Die ersten Weltspiele für alle Körper- und Sinnesbehinderten in Toronto (1976) haben dazu sicher das Ihrige beigetragen.

Während die sportlichen und organisatorischen Aufgaben des Verbandes in dieser Zeit rasch wuchsen, hinkte die administrative Infrastruktur dieser Entwicklung hinterher. Der legendäre langjährige Geschäftsführende Präsident Dr. Benno Schindlauer führte die Geschäfte des Verbandes praktisch von seiner Wohnung aus. Ein Büro oder gar ein besetztes Sekretariat gab es lange Zeit nicht.

Erst das schon angedeutete stärkere Engagement der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) brachte eine Änderung. Die leitenden Angestellten der AWA (Ärztlicher Direktor Dr. Wolfgang Krösl und Generaldirektor Wilhelm Thiel) bekleideten ab 1969 Funktionen im Präsidium des ÖVSV und verstärkten dadurch ganz wesentlich die Zusammenarbeit der beiden Organisationen. Der spätere Präsident des ÖVSV Wilhelm Thiel stellte schließlich 1981 die Weichen für ein Sekretariat. In einem Gebäude der AUVA in Wien-Brigittenau wurden Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt und mit einer erfolgreichen Amputiertensportlerin (Krückenskiläuferin), als Büroleiterin besetzt. Damit hatte der Verband nun endlich ein Sekretariat, das zumindest halbtags besetzt war. Es sollten allerdings dann wieder mehr als 10 Jahre vergehen, bis aus diesem ersten Schritt das heutige Sekretariat als Servicestelle des Verbandes wurde. Neben weiteren MitarbeiterInnen wurde in der Folge ein Generalsekretär (ehrenamtliche Tätigkeit ab 1981) zur Leitung des Sekretariates und der Tagesgeschäfte des Verbandes berufen.

In den 80er Jahren erfuhr der Sport für behinderte Menschen in Österreich durch mehrere Faktoren enormen Auftrieb. Einmal war dies dem Umstand zu verdanken, daß die Gesellschaft stärker auf die Existenz behinderter Menschen und ihrer Bedürfnisse hingewiesen wurde. Das von den Vereinten Nationen proklamierte Jahr für die behinderten Menschen (1981) hat dazu wesentlich beigetragen. Die Tatsache, daß in diesem Jahrzehnt starke Persönlichkeiten (Dr. Herbert Kohlmaier, GD Wilhelm Thiel, Ernst Wolfram Marboe) dem Verband als Präsidenten dienten, hatte daran ebenso Anteil, wie die unermüdliche Arbeit des langjährigen Sportwartes Prof Oswald Kneissl. Kneissl und seinem Team gelang es in dieser Periode, das traditionelle Sportprogramm um internationale Aktivitäten zu erweitern und das Regelwerk zu festigen.

Ganz enormen Anteil am Aufschwung des Verbandes hatten die beiden Weltwinterspiele für Behinderte 1984 und 1988 in Innsbruck. Der ÖVSV erwarb sich damit einen hervorragenden Ruf als Veranstalter und trug damit dazu bei, die Anerkennung des Internationalen Olympischen Comites (IOC) zu erhalten. Die Spiele in Innsbruck waren die ersten Winterspiele für Behinderte, die unter der Patronanz des IOC stattfanden. Die Bedeutung, die der Versehrten- bzw. Behindertensport mittlerweile erreicht hatte, wirkte auch auf jane Gruppen, die - gewollt oder ungewollt - außerhalb des ÖVSV standen. Daß Sport auch in der Rehabilitation mentalbehinderter (früher: geistigbehinderter) Menschen eine Rolle spielt, war auch in Österreich bekannt. Die Grenze zwischen Therapie und Sport ist aber bei dieser Gruppe unscharf. Außerdem waren sich auch nicht alle Funktionäre darüber einig, ob sie in den ÖVSV wollten oder lieber allein bleiben sollten. Schließlich wollte aber die Mehrheit doch in den Verband. Die Diskussion im ÖVSV dauerte lange und verlief sehr kontroversiell. Erst finanzielle Anreize durch die Republik und ein starker Appell des Präsidiums an die Mitglieder brachten eine Integration der mentalbehinderten Sportler in den ÖVSV. Die Gehörlosensportler führten seit den 30er Jahren ein eigenständiges Vereinsleben. Ihre internationale Sportorganisation (CISS) riet und rät bis heute von einem Zusammengehen hörbehinderter Sportlerinnen und Sportler mit anderen Behindertensportorganisationen ab. Trotzdem kam es 1989 auf Wunsch des damaligen Sportministeriums (BMUKS) zu einer Aufnahme auch dieser Gruppe in den ÖVSV. Damit waren in Österreich alle Behindertengruppen in einem Sportverband erfaßt. Der ÖVSV trug dieser Entwicklung bei seiner Generalversammlung im Jahre 1989 dadurch Rechnung, daß er eine Namensänderung beschloß. Aus dem ÖVSV wurde der ÖBSV (Österreichischer Behindertensportverband). Mit dieser Änderung sollte schon im Verbandsnamen sigualisiert werden, daß der ÖBSV die Sportorganisation für alle behinderten Sportlerinnen und Sportler in Österreich sein will.

Die letzten Jahre waren gekennzeichnet von weiterer innerer Konsolidierung, der Sicherung der wirtschaftlichen Basis und der Anerkennung durch die Sportfamilie der Nichtbehinderten. Eine ordentliche Mitgliedschaft bei der Österreichischen Sportorganisation (BSO) sollte nicht nur eine finanzielle Absicherung, sondern auch eine ideelle Anerkennung bringen. Nachdem dies gegenüber der BSO auch eindeutig formuliert wurde, kam es 1995 (ordentliches Mitglied mit besonderer Aufgabenstellung) und 2002 (ordentliches Mitglied und stimmberechtigtes Mitglied in den BSO-Gremien) - zur offiziellen Anerkennung.

Um dem finanziell immer aufwendiger werdenden Leistungssport zusätzliche Mittel und einflußreiche Fürsprecher zu verschaffen, wurde im Feber 1998 das Österreichische Paralympische Committee (ÖPC) gegründet.

Dank der Unterstützung der seinerzeitigen Bundesregierung ist seit der Novelle zum Bundes-Sportfördergesetz im Jahr 2003 die Förderung des Behindertensports gesetzlich gesichert. Aus Sicht des ÖBSV wurde vom Gesetzgeber damit die Basis für eine Grund- und Breitensportförderung des Verbandes geschaffen.

Zur Förderung der Top-Athletinnen und -Athleten und weiteren Entwicklung des Behindertensports in Österreich durch gezielte Projektförderungen, wurde vom Bundeskanzleramt, Sektion Sport, im Jahr 2002 auf Initiative der damaligen Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer ein "Fonds zur Förderung des Behindertensports" eingerichtet.

Die Bedeutung des Sports in unserer Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzenten gewaltig verändert. Von Wenigen, in der kargen Freizeit ausgeübt, war der Sport wirklich nur eine - wenn auch schöne - Nebensache. Heute leben ganze Industrien davon. Gleichzeitig hat die Bedeutung des Vereinssports ab- und der sogenannte Trendsport zugenommen. Bedingt gilt diese Entwicklung auch für den Behindertensport. Auch unser Verband wird darauf Rücksicht nehmen müssen, um auch in Zukunft auf erfolgreiche Perioden zurückblicken zu kömnen.

Wien, 2006